Das Ende naht. Zum Glück!

Nicht nur das Ausnahmejahr ist bald zu Ende, auch der Wahlkampf wird bald hinter uns liegen: sowohl in Österreich, als auch in den USA. Während die Wienwahl international gesehen kaum eine Schlagzeile wert ist, wird der Ausgang der wiederkehrenden Schlacht zwischen Demokraten und Republikanern die Weltwirtschaft nachhaltig beeinflussen. Die Gemeinsamkeit: in beiden Fällen wurden Ethik und Moral zuvor an der Garderobe abgegeben.

Redaktion: Angelika Gabor.

Am 11. Oktober schreiten die Wiener zur Wahlurne – so sie nicht schon zuvor per Briefwahl oder direkt am Bezirksamt ihre Stimme abgegeben haben. Dem mündigen Bürger bietet sich ein breites Spektrum an 9 mehr oder weniger ernst zu nehmenden Programmen: neben den etablierten Parteien SPÖ, ÖVP, Grüne, FPÖ und NEOS finden sich auf dem Stimmzettel noch das Team HC Strache, das Bündnis Links, die Liste Soziales Österreich der Zukunft sowie die Bierpartei.

Das demokratische Wahlrecht für Frauen und Männer ist eine hart erkämpfte Errungenschaft, weswegen jeder, der kann, davon Gebrauch machen sollte – je nachdem, ob man persönlich eher die Bildung (NEOS), Migrationsverhinderung (FPÖ, THC), Radfahren und Klimaschutz (Grüne) oder so abstrakte Themen wie die „Bierokratie“ für wichtig erachtet. Als Einwohner Wiens hat diese Wahl natürlich Einfluss auf die Zukunft, insbesondere der nächsten Generationen und gute Standortpolitik mag ausschlaggebend sein, ob ein Unternehmen sich in Wien oder doch Niederösterreich ansiedelt. Aber seien wir ehrlich – weltwirtschaftlich gesehen ist sie nicht wirklich relevant. Der Sieger der Wienwahl wird nicht entscheiden können, ob er einen dritten Weltkrieg anzetteln wird – der Präsident der Vereinigten Staaten hat diese Macht schon eher.

Wenn am 3. November 2020 die US-Amerikaner zum 59. Mal ihren Präsidenten wählen gehen, könnten sie bei Unentschiedenheit eine Münze werfen – sie haben nämlich nur zwei realistische Optionen: den demokratischen Kandidaten Joseph Robinette Biden (77) oder den republikanischen Kandidaten und amtierenden Präsidenten Donald Joseph Trump (74). Andere Parteien wie die Constitution Party haben ohnehin keine Chance. Die beiden Lager sind tief gespalten – und so unterschiedlich sehen daher auch die Ziele für die zukünftige Ausrichtung des Landes aus. Insbesondere die konträre Wirtschafts- und Außenpolitik-Agenda der beiden Kandidaten führt dazu, dass dem Ergebnis global höchste
Aufmerksamkeit geschenkt werden wird. Im Gegensatz zu Österreich gewinnt paradoxerweise nicht derjenige mit den meisten Stimmen der rund 230 Millionen potentiell Wahlberechtigten, sondern der Kandidat mit zumindest 270 der 538 von der Einwohnerzahl des jeweiligen Staats abhängigen Wahlleute des „Electoral Collage“. So erhielt im Jahr 2016 die unterlegene Hillary Clinton insgesamt 2,8 Millionen mehr Stimmen als Donald Trump – auch wenn der das gar nicht gerne hört.

America First vs. Diplomatie.
Verfolgte man die TV-Auftritte von Donald Trump der letzten Jahre, so zählen Bescheidenheit und Diplomatie eindeutig nicht zu seinen hervorstechendsten Eigenschaften. In den vergangenen vier Jahren hat er unter anderem das Iran-Abkommen aufgekündigt, ist aus dem Pariser Klimaabkommen ausgetreten, hat die Weltgesundheitsorganisation WHO verlassen, Allianzen aufgekündigt und sein Möglichstes getan, um die Europäische Union zu spalten. Wird Trump wiedergewählt, darf man damit rechnen, dass seine „America First“ Politik sich noch verschärfen wird. Laut protektionistischem Wahlprogramm zählen dazu Importzölle auf chinesische Waren in Höhe von 45 Prozent – um in Billiglohnländer abgewanderte Industriebetriebe wieder zurückzuholen. China – das viele Milliarden amerikanischer Staatsanleihen hält – wird darüber mit Sicherheit erfreut sein… die unreflektierte Vernichtung des IS ohne Rücksicht auf Verluste, eine noch rigorosere Einwanderungspolitik (insbesondere Mexikaner betreffend) und das Verleugnen der Erderwärmung bzw. des Klimawandels sind weitere Punkte, für die Trump steht. Seine Antwort auf die Energiekrise ist Fracking. Die Verhandlungen mit Nordkorea liegen auf Eis, dafür ist die Beziehung zu Russland scheinbar gut – immerhin.

Biden verfügt dank langjähriger politischer Erfahrung über mehr Fingerspitzengefühl in Außenpolitikangelegenheiten. Es ist fix damit zu rechnen, dass mit Biden im Amt der Handelsstreit zwischen China und den USA nicht eskaliert. So sieht das auch Heather Conley (Center for Strategic and International Studies, CSIS): „Biden hat klargemacht, im Falle seines Sieges einen alliierten und multilateralen Ansatz zu den Herausforderungen der Außenpolitik zu wählen.“ Also Diplomatie statt Keule-Schwingen.

Ein Beschimpfen von NATO-Partnern ist von ihm auch eher nicht zu erwarten, wenngleich auch Biden mit Sicherheit auf das Erfüllen des Zwei-Prozent-Ziels pochen wird. Der Demokrat setzt auf miteinander statt gegeneinander und plant auch, gemeinsam mit neuen und alten Alliierten die Gespräche mit dem Iran wieder aufzunehmen, die nach der Ermordung des Generals Kassem Soleiman durch die Trump-Regierung ihr Ende fanden. Natürlich ist auch Joe Biden kein Heiliger, und mit beinahe 80 Jahren wäre er der älteste je vereidigte Präsident der USA. Aber als Teamplayer ist zu erwarten, dass er ein fähiges Team um sich versammelt, das definitiv nicht der NRA nahesteht.

Im Jahr 2019 betrug laut Statistik Austria der Handelsbilanzüberschuss Österreichs im Handel mit den USA rund 3,1 Milliarden Euro, nach Deutschland sind die USA der wichtigste Außenhandelspartner für den Export. Nicht nur Stahlprodukte, Medikamente und Chemikalien werden in großen Mengen über den großen Teich transportiert. Für Österreichs Exporteure und auch Transportlogistiker ist eine Aufhebung von Strafzöllen und Handelshemmnissen ein Hoffnungsschimmer. Denn wenngleich die Exportwirtschaft schon vor der Covid-19-Pandemie leicht schwächelte, sind die Auswirkungen im ersten Halbjahr 2020 gravierend: Die Ausfuhren nach Übersee sanken mit 15,2 % stärker als jene nach Europa mit 10,8 % (Quelle: Statistik Austria). Egal, ob man nun zu Trump oder zu Biden hält: Der Ausgang der Wahlen und damit die Richtung der US-Außenpolitik spielt daher eine wesentliche Rolle beim (Über)Leben der heimischen Exporteure. Ein Ende naht jedenfalls unausweichlich: das des Wahlkampfs. Dann bessert sich auch wieder das Fernsehprogramm. (AG)

Quelle: LOGISTIK express Ausgabe 5/2020

Translate »