Delivery-Experte Seven Senders expandiert nach Österreich
SEVEN SENDERS ist die Delivery-Plattform für den Paketversand. Das Unternehmen verbindet Versender mit seinem Carrier-Netzwerk aus über 100 Paketzustellern in Europa und ermöglicht exzellenten, lokalen Versand als Wettbewerbsvorteil. Thomas Hagemann und Günter Birnstingl von Seven Senders geben Auskunft.
Redaktion: Peter Nestler.
Peter Nestler: Seven Senders ist in Österreich ein relativ neuer Marktteilnehmer in der Verteillogistik. Was können Sie einbringen, was nicht ohnehin schon da ist?
Thomas Hagemann: Was ich an dieser Stelle immer zurückfrage ist: Was ist denn schon da? Wir haben in Europa – und auch in Österreich – die Situation, dass wir zwei bis drei sehr gute Dienstleister haben, um Pakete zuzustellen. Das ist in Deutschland zum Beispiel die DHL und Hermes und das sind in Österreich die Österreichische Post und DPD. Das ist der lokale Blick auf das Geschäft und unter diesem Gesichtspunkt haben wir Seven Senders gegründet. Wir haben in den vergangenen sechs Jahren Millionen Pakete von europäischen Ländern über Ländergrenzen hinweg nach Österreich gebracht und sind mittlerweile unter den Top Ten der Paketlieferanten der Österreichischen Post. Was wir mit dem Markteintritt in Österreich gemacht haben, ist, dass wir das umdrehen. Wir bieten den Händlern in Österreich an, deren Export zu machen. Das ist etwas, was mit den lokalen Dienstleistern nicht unbedingt erreicht werden kann, weil die in den Zielländern für den Export nicht das Netzwerk haben wie wir.
Nestler: Welcher Part des Liefergeschäftes ist bei Seven Senders in Österreich größer – Incoming oder Outgoing?
Hagemann: Aus österreichischer Sicht ist das Volumen der Lieferungen aus dem Ausland nach Österreich deutlich höher. Wir haben ja gerade erst mit dem Exportgeschäft gestartet – in Österreich mit Günter Birnstingl. Wir haben aber bereits die ersten größeren Kunden in Österreich wie Blue Tomato.
Nestler: Wie läuft das Exportgeschäft bei Seven Senders in Österreich ab? Wickelt ihr das zur Gänze selber ab oder wird das mit Partnern abgewickelt, je nach Volumen oder nach anderen Kriterien?
Hagemann: Es ist ein klassisches B2B-Geschäft, üblich zu dem, was man aus Partnerschaften im Vertrieb kennt. Das heißt, es gibt Warenverträge über meistens mindestens ein Jahr. Man legt sich zudem fest, wohin man versenden möchte und man wählt gemeinsam die Versanddienstleister aus, die dann beim Empfänger, auf der letzten Meile, vor der Haustüre der Kunden stehen sollen. Und natürlich ist es unser Ziel, in jedem Land zu helfen, je nach Menge, Aufkommen und Art der Pakete. Zur Grundaussage: Wir möchten den gesamten europäischen Versand übernehmen – macht das überhaupt Sinn? Nein, weil es immer eine kritische Menge braucht, die pro Zielland erforderlich ist.
Nestler: Wie sieht das aus in den Verhandlungen mit ihren Kunden? Irgendwo muss man ja in einem Zielland beginnen und sich festlegen.
Hagemann: Es werden die gewünschten Zielländer einzeln verhandelt und wir entscheiden das selber pro Länderrelation, wem wir das Geschäft dann geben. Wir kämpfen dann selber pro Land um jede Länderrelation und manche gewinnen wir und manche verlieren wir. Das ist das ganz normale Business.
Nestler: Gibt es da Länder, die sie tendenziell leichter gewinnen aufgrund ihres Netzwerkes?
Hagemann: Ja, ganz sicher. Wenn wir unsere Stärken anschauen, dann liegen diese in den 12 bis 13 Top-Konsumländern in Europa. Das sind in der Regel auch eher die ökonomisch starken Volkswirtschaften, respektive die großen Länder. Also die DACH-Länder, Italien, Spanien, Frankreich, Polen, Tschechien, Skandinavien und UK.
Nestler: Und über welches Geschäft sind sie am glücklisten bei Seven Senders aufgrund der Marge?
Hagemann: Über Margen sprechen wir natürlich nicht so offen. Aber man kann sagen: Es ist dann immer attraktiv für beide Seiten, wenn man Komplexität lösen kann. Wir sind stolz darauf, dass wir kein klassischer Makler sind. Also wir kaufen keine Paketmarke ein für 3 Euro und verkaufen die im Internet für 3,02 Euro weiter. Sondern wir bauen gesamte Lieferketten auf, die wir auch betreuen, versichern und abwickeln mit unserem Transportmanagement-Team und unseren Lkw-Partnern. Viel Komplexität lösen – das kann im Zollbereich sein. Zum Beispiel bereiten wir jetzt einige Kunden auf den Brexit vor, oder das Zielland Schweiz. Das kann aber auch sein, dass wir für Kunden Multi-Carrier-Lösungen aufbauen. Zum Beispiel möchten in Frankreich rund 30 Prozent der Kunden gerne an eine Packstation gelieferte haben, was La Poste in dem Zusammenhang nicht anbietet. Da geht es dann darum, dass wir den Stream auf verschiedene Carrier aufteilen. Darüber Komplexität zu lösen, bringt sicher den größten Mehrwert für unsere Kunden.
Nestler: Mit welchen Partnern arbeiten sie zusammen, wenn man sich die Lieferketten so ansieht?
Hagemann: Wir unterscheiden grundsätzlich zwischen Hauptlauf und letzte Meile. Viele nennen es den Vorlauf, für uns ist der weite Weg mit dem Lkw der Hauptlauf. Da arbeiten wir mit Speditionen und haben dazu in den vergangenen Jahren einige wenige Partnerschaften geschlossen. Wir sind da aber komplett transparent und wissen, dass sich der Markt in dem Bereich sehr stark bewegt. Denn der Markt muss ja selbst opportunistisch funktionieren, je nach ökonomischer Lage. Und damit sind wir da immer frei in der Wahl und arbeiten von Gebrüder Weiss über Wackler über DHL Freight etc. mit allen Marktpartnern zusammen, auch mit digitalen Speditionen wie Insta Freight. Auf der letzten Meile arbeiten wir dann mit fixen Partnerschaften, aber stets mit Hinblick auf das Verhältnis Kunde-Dienstleister. Aber das sind natürlich langfristig gewachsene Geschäftsbeziehungen, denn gerade die letzte Meile ist schon ein sehr statisches Unterfangen in Europa.
Nestler: Wer sind auf der letzten Meile die Partner in Österreich?
Günter Birnstingl: In der Hauptsache Die Österreichische Post und DPD, aber wir reden zum Beispiel auch mit Liefery.
Nestler: Wie sieht es aus mit euren Versicherungspartnern, wurden die länderübergreifend ausgewählt? Oder gibt es da einen Globalpartner?
Hagemann: Wir haben einen Globalpartner für die gesamte europäische Lieferkette end-to-end. In den vergangenen Jahren wird auf der letzten Meile sehr e-commerce-orientiert versendet. Die Handhabung bei den Versicherungen ist aber in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich. Da wird gedanklich noch stark auf das Thema Sonderziehungsrechte eingegangen und es wird gesagt: 8 Euro pro Kilo oder ein Euro pro Kilo. Am Ende muss man aus Konsumentensicht sagen: Das kommt schon fast einer Verweigerung der Versicherung gleich. Wir haben das mit einem Produkt gelöst, das wir gemeinsam mit einem großen Rückversicherer bzw. einer Versicherung im Transportbereich lösen, und zwar über alle Grenzen hinweg.
Nestler: Gesetzt den Fall, sie sind bei einem neuen potenziellen Kunden in Österreich, den sie mit ins Boot holen wollen. Mit welchen Argumenten überzeugen sie den?
Hagemann: Es geht um das Thema Flexibilität und gleichzeitig um Komplexität. Wir verstehen uns einerseits als Logistikunternehmen, andererseits aber auch sehr stark als Technologieprovider. Wenn sich jemand dem europäischen Markt als Onlineshop nähert, dann liegen da schon einmal die unterschiedlichsten Komplexitäten im Shop selber vor und mit der Steuer. Wenn man dann auch noch mit 15 verschiedenen Last-Mile-Carriern kooperieren muss, dann beginnt man Valium in der IT-Abteilung zu verteilen, wenn es darum geht, die unterschiedlichsten Label-Anforderungen zu platzieren.
Dem Händler geht es darum, das Einkaufserlebnis seiner Kunden zu einem Konsumenten-Event zu gestalten. Wir sind hier stark eingebunden, indem wir zum Beispiel track und trace erledigen, was heute bereits Standard sein sollte. Andererseits sind wir in der Lage, die unterschiedlichsten Themen, wie etwa Buchhaltung, E-Mail-Aviso, Kaufabwicklung etc. anzubieten. Unser Angebot geht weit über die Frage wie hoch ist der Transportpreis und wer ist mein Carrier hinaus.
Es geht sehr stark in die Technologiewelt hinein. Das entspricht natürlich dem Zahn der Zeit. Für uns gilt wiederum, dass wir das nicht selber programmieren müssen, sondern als third party zukaufen können. So können wir sehr schnell neue Märkte erschließen. Der Kunde kann einzelne Leistungen aus unserem Produktportfolio herauskaufen, aber es ist nie ein Zwang dahinter. Er ist also frei in seiner Carrierwahl und er ist frei darin, welche Zusatzleistungen er braucht.
Nestler: Kommt es auch vor, dass Kunden nach Gesprächen mit ihnen den Carrier für die letzte Meile geändert haben?
Hagemann: Durchaus! Die letzte Meile ist bei uns genau das, wofür wir stehen. Man kann die immer ändern. Die Stärke von Seven Senders hat man besonders mit Corona gut gesehen. In Frankreich ist die Post nach Ausbruch der Pandemie dort völlig eingebrochen. Es wurde über Tage und teilweise über Wochen hinweg allen E-Commerce-Händlern nur ein bis maximal zwei Anliefertage gegeben. Da gab es natürlich bei uns einen Ansturm von Anfragen zu einem Carrierswitch. Viele Onlinehändler hatten sich ja nicht mit Alternativen abgesichert, was einen Fallback-Carrier angeht. Da sind viele unserer Kunden zu GLS geswitcht, weil die ihr Netzwerk zu dieser Zeit besser in Griff hatten.
Nestler: Wie hat sich ihr Geschäft beim ersten Aufflackern der Coronakrise entwickelt?
Hagemann: Nach einem ersten Einknicken hat es sicher eine merkliche Zunahme der Volumina aus dem Onlinehandel gegeben. Die Menschen haben zu der Zeit einfach das gekauft, was sie zu dem Zeitpunkt brauchten oder haben wollten: Wir haben zum Beispiel Lkw-weise Brotbackmaschinen nach Italien geliefert. Es hat aber auch sehr viele Händler gegeben, denen es nicht so gut ging – etwa im Bereich Mode und Accessoires. Da haben sich die Konsumenten ganz einfach gesagt: Wenn ich nicht weiß, ob ich überhaupt auf Sommerurlaub fahren kann, warum soll ich mir ein neues Outfit dafür kaufen. Rückschauend betrachtet hat der Onlinehandel insgesamt klar von der Coronakrise profitiert. Man rechnet mit einem Sockel-Uplift in zweistelliger Prozenthöhe. Das heißt, wir gehen davon aus, dass der E-Commerce damit auf ein neues Plateau gehoben wurde und von dort aus weiterwachsen wird. Es wurden in dieser Zeit sicher auch neue Kunden gewonnen, die davor noch nicht online gekauft haben. Es gab also quasi einen Zeitsprung für den Onlinehandel.
Nestler: Wie wird sich das Geschäftsjahr 2020 vorausblickend entwickeln?
Hagemann: Das laufende Geschäftsjahr wird am Ende sehr positiv ausfallen. Wir haben von Mehrverkäufen profitiert. Wir hatten aber auch Herausforderungen in einzelnen Geschäftsbeziehungen, was die Kontaktaufnahme betrifft. Es war sicher nicht das grandiose Jahr für den B2B-Geschäftsvertrieb. Auch wir mussten uns auf remote umstellen, so gesehen war es ein herausforderndes Jahr. Aber unterm Strich sind wir sehr zufrieden.
Nestler: Herr Birnstingl, was sind die Pläne für Österreich?
Birnstingl: Wir wollen beweisen, dass Österreich durchaus eine europäische Chance hat, dass die österreichischen Händler sich der Themen Webshop und Internationalisierung angenommen haben. In Österreich haben die Händler immer schon in die Nachbarländer geblickt. Da ist sicher eine gewisse Offenheit gegeben, die sich nun verstärkt hat.
Nestler: Bereuen sie den Markteinstieg in diesen schwierigen Zeiten?
Birnstingl: Es gibt jetzt eine Aufbruchstimmung, die Themen Digitalisierung, neue Märkte, Wachstum etc. spielen eine Rolle. Von daher bin ich davon überzeugt, dass es der richtige Zeitpunkt für uns ist.
Nestler: Gibt es ein Logistikprodukt, für das Seven Senders typisch ist oder dass es nur bei euch gibt?
Hagemann: Meines Wissens sind wir einzigartig. Und zwar in der Art, wie wir die Supply Chain lösen. Seven Senders kann nicht bestehen mit dem Mehrheitsbesitz einer Postgesellschaft, denn wir stehen für grenzenlose Freiheit. Das heißt, man soll auf der letzten Meile jeden Carrier wählen können, den man will.
Markus Jaklitsch: Seven Senders ist Venture Capital finanziert. Wie sieht es mit den Finanzen aus. Trifft man sich da und beschließt, wir schießen wieder ein paar Millionen zu?
Hagemann: So hemdsärmelig würde ich das nicht formulieren. Natürlich gibt es die regelmäßigen Board Meetings, in denen man die Lage bespricht. Unsere Finanzpartner sind bekannt, es gab im Juni 2019 die letzte Finanzierungsrunde und wir sind derzeit finanziell gut aufgestellt. Diese Mittel werden sicher auch 2021 noch reichen und dann schauen wir weiter. In einem gewissen Maße sind wir auch glücklich darüber finanziell unabhängig von den Kapitalmärkten zu sein. Wenn man sich anschaut, wofür Onlinehändler Fremdkapital brauchen, dann sind das Marketingkosten und Working Capital. Das haben wir beides nicht.
Wir sind in der Lage selbständig zu überleben. Wir sind so gepolt, dass wir nicht das Rennen um die größte Finanzierungsrunde bestreiten wollen. Am Ende gibt es aber immer einen trade-off zwischen sehr starkem Wachstum und darin kein Kapital aufzunehmen.
Jaklitsch: Sie haben Zalando als Kunden. Wie läuft das Geschäft?
Hagemann: Zalando ist nicht unser Kunde, sondern unser Partner. Zalando ist eine Plattform und die Partner von Zalando sind unsere Kunden. Ein Händler, der über Zalando verkauft und der nicht die Logistik machen kann oder will, das sind unsere Kunden. Zalando pusht die Händler in gewisse Lieferkanäle. Das heißt, wenn ich als Händler in Hamburg über zalando.at verkaufen will, muss ich auf der letzten Meile auch einen bestimmten Carrier nehmen. Und genau da helfen wir den Händlern. Wir sind also das Logistik enabling für Händler, die auf Zalando verkaufen.
Jaklitsch: Bestehen Überlegungen mit Amazon in Kontakt zu treten?
Hagemann: Wir sehen Amazon als potenziellen neuen Wettbewerber auf der letzten Meile. Wir gehen sehr stark davon aus, dass Amazon zukünftig in unserem Letzte-Meile-Portfolio auftauchen wird als ganz normaler Dienstleister neben den Postdiensten. In UK ist das schon passiert.
Jaklitsch: Wollt ihr auch stärker in den B2B-Bereich gehen?
Hagemann: Da stellt sich mir die Frage: Was ist B2B? Ich mache für mich gedanklich immer eine Matrix auf: Es gibt das schöne E-Commerce Standardpaket, das eine sehr schnelle und zuverlässige Laufzeit haben muss. Und auf dem anderen Ende der Skala gibt es ein time definite express B2B-Paket, das hochsensitiv ist – zum Beispiel Ersatzteilschrauben für einen Windpark im Norden von Schottland, die am nächsten Tag zwischen 10 und 10:30 Uhr an dem Ort sein müssen. Und dazwischen gibt es natürlich ganz viel. Die Antwort lautet für uns: Wir schauen uns B2B an, aber nicht in den nächsten 12 bis 18 Monaten das time definite express B2B-Paket. B2B-Pakete aus dem E-Commerce oder vielleicht sogar aus der Industrie gerne, aber ehrlicherweise mit einer relativ humanen Laufzeitanforderung, dafür aber mit einer hohen Liefertreue. Das können wir uns schon vorstellen.
Nestler/Jaklitsch: Danke für das Interview!
Quelle: LOGISTIK express Ausgabe 6/2020