Warum lernen Menschen nicht aus der Vergangenheit?

Täglich grüßt das Murmeltier. Finanzkrise, Immobilienblase, Rettungspakete, Corona-Crash.

Gastbeitrag: Marc Friedrich.

Die Staaten versuchen, mit historischen Konjunkturpaketen gegenzusteuern, die Notenbanken drucken Geld im Akkord wie nie zuvor und züchten damit Zombiefirmen und gar Zombieländer. Zudem bereiten sie den Nährboden für die nächste Krise vor. Parallel ist die Politik maßlos überfordert und hangelt sich von einem Lockdown zum nächsten. Dieser droht massenweise Insolvenzen auszulösen um das zu verhindern nimmt die Politik noch mehr Geld in die Hand und bei den Wahlen wird man nach Links rücken – ändern wird das nichts. Ganz im Gegenteil. Es wird noch schlimmer – Steuererhöhungen, Enteignungen und Inflation sind unvermeidlich. Immer das gleiche Spiel.

Wer sich Zyklen anschaut, wird auch verstehen, warum die Menschheit nicht aus der Vergangenheit lernt. Denn nach 90 Jahren ist niemand mehr da, der aus eigenem Erleben von dieser Transformation aus erster Hand berichten kann und die Folgegenerationen davor schützt, immer wieder die gleichen Fehler zu begehen.

Das wertvolle Wissen gerät schlichtweg in Vergessenheit. Auch wenn Bücher darüber berichten. Der Mensch denkt jedes Mal: »This time is different« (»Dieses Mal ist es anders«) – aber das ist es eben nicht! Auch dieses Mal nicht! Es gibt verschiedene Theorien, die die Zyklentheorie untermauern. Ganz berühmt sind die folgenden.

Schuldenzyklus

»Es gibt zwei Möglichkeiten, eine Gesellschaft zu besiegen und zu versklaven: Mit dem Schwert oder mit Verschuldung.«
John Adams

Der kurze Schuldenzyklus dauert im Schnitt fünf bis acht Jahre, der lange Superschuldenzyklus 50 bis 75 Jahre. Im langen Zyklus steigen die Schulden über lange Zeiträume schneller als die Einkommen. Die Zinsen und Tilgungen wachsen immer stärker, was zur Kürzung von Ausgaben führt. Da die Ausgaben einer Person das Einkommen einer anderen Person sind, beginnen die Einkommen zu sinken.

Die Kreditwürdigkeit des Einzelnen nimmt ab und die Kreditaufnahme geht zurück. Die Abwärtsspirale ist im vollen Gange, die Finanzkrisen brechen aus und der Zyklus kommt zu einem Ende. Wenn der lange Zyklus zum Ende kommt, geht dies immer einher mit großen Verwerfungen und einer Neuordnung der Schulden sowie einem neuen Geldsystem.

Sehr gut beschrieben hat den Schuldenzyklus der Milliardär und Gründer einer der größten Hedgefonds der Welt (Bridgewater Associates), Ray Dalio. In seinem Buch Principles for Navigating Big Debt Crises beschreibt er anschaulich die Schuldenzyklen (Abbildung 1). Diese dauern nach seiner Recherche in der Regel zwischen 50 und 75 Jahren und können bis ins Alte Testament nachgewiesen werden.

Seit Tausenden von Jahren wird ein Schuldenzyklus mit einem Schuldenerlass beendet. Im Alten Testament war dies im Jahr nach dem siebten Sabbatjahr (Jubeljahr/Erlassjahr). Somit wurden alle 50 Jahre die Schulden erlassen. Auch in der Neuzeit ist der Schuldenerlass gang und gäbe. So wurde Deutschland im Februar 1953 die Hälfte der Schulden in Höhe von 29,7 Milliarden D-Mark erlassen.

2005 gab es einen Schuldenerlass der G-8-Staaten für etliche afrikanische Staaten, und in Europa gab es 2012 und 2016 (in Form einer Umschuldung) den Schuldenerlass für das zahlungsunfähige Griechenland. (Hinweis: Die Schulden Griechenlands sind aktuell wieder auf Rekordniveau und der Schuldenerlass ist verpufft. Als Mitglied der Euro-Zone wird Griechenland niemals gesunden!) Ich gehe von einem großen Schuldenerlass in Zukunft aus. Für alle! Der Schuldenzyklus endet immer mit einem großen Crash. Angekündigt wird dieser von einer steigenden Inflation und steigenden Rohstoffpreisen. Der letzte Schuldenzyklus endete mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Danach startete 1945 der aktuell laufende Zyklus. Er ist jetzt im 76. Jahr und damit einer der längsten der Geschichte. Kommen wir nun als Nächstes zum Machtzyklus.

Machtzyklus

»Macht korrumpiert, absolute Macht korrumpiert absolut.«
Lord Acton

Wer sich die Anzahl der Imperien auf Wikipedia anschaut, muss ziemlich lange nach unten scrollen, bis die Liste endet. Imperien kommen und gehen. Einige Imperien bestehen für Hunderte von Jahren, andere doch viel kürzer. Das berühmte Imperium Romanum und das byzantinische Imperium hatten beide über 1000 Jahre Bestand. Im Schnitt vergehen im Lebenszyklus eines Imperiums zirka 100 Jahre vom Aufstieg bis zum Niedergang. Gemeinsam war allen Imperien stets am Anfang ein gedecktes Geldsystem und die Dominanz ihres Geldes gegenüber anderen Währungen.

Ein Imperium hatte sozusagen die Weltleitwährung inne, ob es nun die Römer waren mit ihrem Denar, Aureus und Solidus, die Byzantiner mit dem Solidus, die Spanier mit dem Real oder die Briten mit dem Pfund. Aktuell sind es die US-Amerikaner mit dem Dollar. Aber wir sehen allmählich bereits den Wechsel zur nächsten Supermacht heraufziehen – voraussichtlich China. Alle Machtzentren begannen mit einem gedeckten Geldsystem und endeten mit einem ungedeckten. Wenn das Vertrauen in das Geld verloren geht, wird auch das Ende des Systems eingeläutet, weil das Vertrauen der Menschen in die Elite verloren geht.

Ray Dalio nennt dies den »Big Cycle«, den großen Zyklus. Sobald die neue Wirtschaftsmacht etabliert ist, folgt eine Zeit von Prosperität und Frieden. Die Wirtschaftsmächte sind dominierend und stellen die Weltleitwährung. Deren Gesellschaft gewöhnt sich an stetig wachsenden Wohlstand und verschuldet sich daher immer mehr. Dies führt zu Konsum auf Pump, zu einer Schuldenblase und einem Aufblähen des Bankensektors sowie zu einer Inflation bei Vermögenswerten.

Die Zinslast steigt, das Wachstum schwächt sich ab, die Ungerechtigkeit nimmt zu, die Schere zwischen Arm und Reich wird stetig größer, was zu sozialen Spannungen führt. Transferleistungen nehmen zu, Sozialkosten explodieren, die Notenbanken erhöhen die Geldmenge, die wahre Inflation steigt, und darauf antwortet die Notenbank mit noch mehr Gelddrucken. Es entstehen weitere Exzesse und Spekulationsblasen, die schließlich zum Platzen der Blase führen. Soziale Unruhen und sogar Krieg können das Resultat sein. Den Machtzyklus hat Dalio in Abbildung 2 gut aufgeschlüsselt. Parallel sind neue Länder als Konkurrenten aufgestiegen und wollen das Ruder übernehmen. Sie machen der existierenden Nummer 1 den Platz streitig und wollen auch das mächtige Privileg der Leitwährung an sich reißen.

In Abbildung 3 sehen wir die Wirtschaftsmächte der letzten 500 Jahre in ihrem Auf- und Abstieg. Zuerst wurde China von den Niederlanden abgelöst, dann die Niederlande von Großbritannien und schließlich Großbritannien von den USA. Der Machtwechsel ging zumeist mit einem oder mehreren Kriegen einher. Die Gefahr besteht durchaus auch heute noch.


Einige Theorien gehen davon aus und ziehen die Vergangenheit als Blaupause für die Zukunftsprognose heran. Da war es tatsächlich so, dass große Paradigmenwechsel durch einen Krieg eingeläutet oder von einem Krieg begleitet wurden. Auf eine dieser Theorien, die in dem Buch The Fourth Turning von William Strauss und Neil Howe publiziert wurde, habe ich in meinem neuen Buch („Die größte Chance aller Zeiten“) ein ganzes Kapitel verfasst. (MF)

 

Quelle: LOGISTIK express Journal 4/2021

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